Am Start
Ich gehöre zur Generation X.
Uns, also den Jahrgängen zwischen 1965 und 1979, wird nachgesagt, dass wir neben einer gehörigen Portion Egoismus orientierungslos durchs Leben segeln und sowohl politisch als auch am Allgemeinwohl eher weniger interessiert seien. Get this.
Dazu sei uns eine gewisse Oberflächlichkeit zu eigen, die in einem übermäßigen Konsumverhalten gipfelte. Mmmh…
Man nennt uns auch die Generation Golf. An dieser Stelle oute ich mich, auch ich bin mit so einem „Erdbeerkörbchen“ durch die Landschaft gedüst.
Wie das passieren konnte, keine Ahnung. Aber sei’s drum. Fällt noch unter Jugendsünde. Genauso wie die dazu passende Dauerwelle, die ich damals trug.
Gut, dass zu der Zeit Facebook & Co. noch nicht am Start waren, so bleibt es mir zumindest erspart, diese Peinlichkeit im worldwideweb verewigt zu wissen.
Andere, weitere Charakterzüge der Gen X zeichnen dann aber auch noch ein cooleres Bild.
Nämlich das Bild von Menschen, denen Werte wie Individualismus, Freiheit und Authentizität enorm wichtig sind.
Menschen, die auf der Suche nach dem Sinn ihres Lebens auch bereit dazu sind, verkrustete Strukturen aufzubrechen und traditionelle Überzeugungen oder gesellschaftliche Paradigmen zumindest in Frage stellen.
Menschen, die nach dem guten Leben streben und sehr wohl wissen, dass sie sich dafür auch selbst bewegen müssen. Und dies auch tun. Ungern, aber immerhin.
Menschen, die gut zu sich selbst sind und es genau deshalb auch durchaus zu anderen sein können.
Das macht mir Mut. Mut für eine gemeinsame Zukunft.
Denn darum geht es gerade. Um unsere gemeinsame Zukunft. Um die schöne neue Welt und der Frage danach, wie soll sie aussehen?
Corona löst nämlich gerade im Zeitraffer auf, was bisher war und zeigt uns dabei ziemlich ungeschminkt, welche Prioritäten wir in den letzten Jahrzehnten gesetzt haben.
Das Leben, so wie wir es kannten, existiert nicht mehr. Das Neue ist nicht deutlich sichtbar. Zwischenwelt-Erleben. Ein Wandel, der sehr radikal ist. Deshalb fühlt er sich auch so unwirklich an.
Spätestens jetzt, in dieser globalen Corona-Krise, müssen wir Zukunft ganz neu denken.
Es wurde zwar auch vor Corona schon lauwarm darüber diskutiert, dass sich unser Leben radikal ändern müsse. Auf der politischen, genauso wie auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene.
Und wenn wir ehrlich sind wussten wir ganz genau, dass es in einem Wandel vom Industriekapitalismus in einen Digitalkapitalismus, keinen sang- und klanglosen Übergang geben konnte.
Aber, wie das so ist bei Menschen, solange es irgendwie läuft, läuft’s. Bis der Run dann eben stoppt. In diesem Fall ganz abrupt durch eine weltweite Pandemie.
Seit fast einem Jahr erleben wir ein science fiction scenario, das wir vorher nur aus Filmen oder Büchern kannten am eigenen Leib.
Unser Geist braucht Zeit der Akklimatisierung, um überhaupt erst einmal zu begreifen, dass das hier kein Film ist und dass es auch keinen Weg zurück geben wird.
Aber wie sieht sie denn nun aus, unsere Zukunft?
Was sind Deine Ideen? Was wünschst Du Dir? Was ist Dir wichtig? Was sind Deine Befürchtungen?
Mich interessiert das. Ich möchte darüber diskutieren, gemeinsam Visionen und Pläne entwickeln, eine Richtung anpeilen und die Segel setzen.
Mich irritieren diese Durchhalteparolen, das Ausharren und warten darauf, dass es endlich weitergeht. Wieder normal wird. Wir endlich wieder loslegen können. Hallo? Worauf warten wir hier eigentlich?
Darauf wieder in Restaurants, Cafés oder Bars gehen zu können, Familie und Freunde zu treffen und sie ganz unverkrampft zu umarmen, mit Lust zu reisen oder einfach einen unbeschwerten Stadtbummel zu machen?
Ja klar, darauf freue ich mich auch und das alles wird hoffentlich bald wieder möglich sein.
Aber in dieser ganzen langen Zeit, in der wir in dieser „Warteschleife“ festhängen, läuft die Lebensuhr ja weiter. Und auch wenn wir das gerade vielleicht gar nicht so bemerken, es passiert sehr viel.
Unser Leben verändert sich. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich bin da schon ganz gern mit am Start.
Zukunft gestalten oder mitgestalten braucht Visionen, positive Zielentwürfe.
Einfach nur GEGEN etwas zu sein ist da wenig hilfreich und tatsächlich unbrauchbar.
Also frage ich mich, woFÜR bin ich?
Und bin ich bereit, für diese Ziele meinen Hintern zu bewegen, mein Bedürfnis nach Rechthaben aufzugeben und meinen Geist zu öffnen für neue, kreative Möglichkeiten?
Meine Antwort darauf ist ein klares JA.
Was ist Deine Antwort?
Diese globale Krise führt uns ja nicht nur ganz deutlich vor Augen, wie verletzbar wir sind, sondern sie lädt uns dazu ein, in unsere volle Kraft und Kreativität zu kommen.
Sie lädt uns ein, zu erkennen, wer wir wirklich sind, was uns ausmacht und was wir erreichen können, wenn wir ZUSAMMEN gehen.
Momentan fühlen wir uns durch die Maßnahmen zur Eindämmung dieser Pandemie gerade sehr getrennt voneinander. Und wir sind es auch, auf der physischen Ebene.
Und gleichzeitig lädt uns diese Trennung dazu ein, ganz bewusste Verbindungen herzustellen.
Die extremen Polaritäten in dieser Krise fordern uns auf in Balance zu kommen. Jeder für sich. Alle miteinander.
Sehr wertvoll in dieser Krise für mich persönlich ist es, dass sie uns aufzeigt, was wirklich wichtig ist und das für uns alle noch so viel mehr möglich ist, als das, was jetzt ist. Wir haben die Möglichkeit, einen enormen, menschlichen Fortschritt zu machen.
Gesellschaftliche oder auch wirtschaftliche Umbrüche passieren nicht einfach so von allein. Wir alle sind Teil dieses Systems und somit auch aufgefordert, unseren Part zu leisten, unser Potential voll hineinzugeben, um aktiv mitzugestalten.
Deshalb sollten wir gerade jetzt besonders wach sein und statt uns von einer Welle unter Wasser ziehen zu lassen können wir doch lernen, sie zu surfen.
Neues entsteht. Ob wir das nun wollen oder nicht. Der Prozess des Wandelns ist längst im Gange.
Dies einfach bequem auszusitzen und dabei anderen das Ruder voll zu überlassen ist, trotz des hartnäckigen Chill-Out-Sofa-Gens (Merci, Generation X ;-), nicht so ganz mein Style.
Und überhaupt, was, wenn am Ende das Ergebnis nicht gefällt?
Ich habe die Wahl, entweder ducke ich mich weg, hadere mit dem Schicksal und suche nach Schuldigen oder ich übernehme Verantwortung, werde aktiv und gestalte mit. Human, selbstbewusst, dem Leben zugewandt.
Mein Leben. Meine Verantwortung.
Erkenntnis: Das Leben schuldet mir gar nichts.
Unsere Gesellschaft ist stark überaltert. Ist einfach mal so. Die Babyboomer, also die Generation noch vor der Generation X, schalten und (ver)walten in der Mehrzahl noch immer hier.
Ich weiß nicht, wie es Dir geht. Aber mir fehlt da das Feuer. Die Leidenschaft. Und die echten, guten Visionen.
Was ist das? Ist der Spirit für Zukunft abhanden gekommen? Wenn ja, wann und warum?
Es ist so extrem wichtig, auch und insbesondere, jüngeren Menschen Gehör zu schenken, sie aktiv mit einzubinden, zu diskutieren, voneinander zu lernen und gemeinsam Wege zu finden.
Obwohl wir keinen richtigen Plan haben, nicht wissen, wohin uns diese Pandemie möglicherweise noch führt oder welchen Einfluss die Technologie in den nächsten Jahren auf unser Leben nehmen wird, hören wir nicht damit auf, Recht haben zu wollen und halten stur fest an alten, längst überholten Mustern oder Überzeugungen. Das ist nicht gut.
Was ich mir wirklich wünsche ist eine progressive Politik.
Ich wünsche mir selbstlosere und frische Politiker, die mit Leidenschaft, Pioniergeist, Humanität und Lebendigkeit Zukunftsvisionen schaffen.
Politik, die nicht nur hinter verschlossenen Türen konspirativ über das Leben anderer entscheidet, sondern ergebnisoffene Diskussionen führt. Und die Fehler zugeben und korrigieren kann.
Ich wünsche mir mehr Expertise von Talenten aus verschiedenen Lebensbereichen in der Politik. Ohne dieses bunte Mitwirken von außen gibt es keine echte Demokratie.
Ich denke, dass Politik mehr Mut braucht und die Bereitschaft neue Wege einzuschlagen. Wenn wir in eine neue Zukunft starten, und das tun wir gerade, führen uns die alten Wege nicht dorthin.
Der jetzigen Politik den Entwurf und die Entscheidungen über unsere gemeinsame Zukunft zu überlassen und darauf zu hoffen, dass alles schon irgendwie gut werden wird, halte ich für sehr gewagt.
Ich zumindest möchte ungern an so einer entscheidenden Weiche, nicht nur meines eigenen Lebens übrigens, „verräumt“ und „ruhig gestellt“ auf meinem Sofa liegen. Auch nicht, wenn dies als das neue Heldentum gefeiert wird.
Ich denke, gerade jetzt sollten wir alle hellwach mit am Start sein.
Technik ist faszinierend. Aber sie muss dem Menschen dienen, nicht umgekehrt.
Genauso sollten sich die Mega-Reichen und Mega-Mächtigen dieser Welt sozial verhalten und dem Wohle aller (auch Tieren übrigens, für diejenigen die das immer wieder vergessen) verpflichtet sehen. Das ist natürlich reines Wunschdenken.
Das Leben ist ein ständiger Wandel und ich bin mir bewusst darüber, dass alles, wirklich alles, was ich glaube zu besitzen, nur geliehen ist.
Alles, und sei es auch noch so hart erarbeitet oder erkämpft, alles, was wir lieben, womit wir uns identifizieren, einschließlich unsere Körper, unser Leben, werden wir eines Tages verlieren. Auch wenn wir das nicht immer wahrhaben wollen, es ist the f*cking truth. Vor diesem Hintergrund könnten wir doch auch mal ein wenig entspannen.
Ich, und auch niemand sonst, wird vor dem Tod verschont bleiben. Auch wenn wir uns noch so gut davor verstecken oder konservieren möchten, irgendwann ist Schluss hier. Jedenfalls fürs Erste. An dieser Stelle sei ruhig gesagt, dass ich davon ausgehe, dass dies hier nicht unser einziges Leben ist.
Aber egal ob oder wie viele Leben da noch kommen oder schon vergangen sind, es ist dieses Leben, jetzt und hier, das zählt.
Mir ist bewusst, dass alles was ich erbaue, letztendlich eine Sandburg ist, die irgendwann wieder zurück ins Meer gespült wird. Das wird mich jedoch niemals davon abbringen, meine Sandburg so schön und so aufregend und so einzigartig und so einladend wie möglich zu gestalten.
Schließlich soll sie mir selbst große Freude machen und allen anderen, die darauf treffen, Inspiration und Hoffnung für ihre eigene Sandburg sein.
Also lebe ich mit Kraft und Liebe mein Leben. Ich werde mich nicht verstecken oder mich klein und unauffällig halten, in der irren Hoffnung so vielleicht selbst vom Tod noch übersehen zu werden.
Gerade weil ich mir meiner Endlichkeit bewusst bin, erkenne ich, wie wertvoll das Leben ist. Was für ein großartiges Geschenk es ist und was für ein Wunder.
Und ich weiß, meine Aufgabe ist es, mein Licht leuchten zu lassen. Für mich selbst und auch für andere.
Zugegeben, die Realität stellt sich manchmal etwas anders dar. Ich bin auch nicht immer ganz wach. Es gibt Tage, Momente, Zeiten, in denen bin ich super unaufmerksam und dann falle ich in ein altes, wie ich glaubte oder hoffte längst überlebtes, Muster zurück.
Und dann drehe ich eine Extrarunde. Manchmal eine Zweite. Das nervt und wirft Zweifel auf, doch es ist meistens lehrreich und am Ende stellt sich dieser vermeintliche Rückschritt dann doch als ein cooler Fortschritt heraus.
Und ich bemühe mich bei allem wirklich groß zu denken. Ich weiß, dass dies in unserer Gesellschaft nicht so gern gesehen wird.
Menschen, die es wagen, über den Tellerrand hinauszuschauen und dabei mit mutigen, großen Ideen aufwarten sind oft nicht besonders „gesellschaftsfähig“ und werden schnell in irgendeine Schublade gesteckt. Vielleicht auch, weil sie anderen mit ihren großen Visionen den Spiegel vorhalten. Da schaut eben nicht jeder gerne rein. Das ist menschlich. Aber das macht die Sache wahrlich nicht besser.
Wir sind dazu erzogen, nicht zu „laut“ zu sein, uns der gesellschaftlichen Norm geschmeidig anzupassen und im besten Falle nicht gegen den Strom zu schwimmen.
Aber wem nützt das wirklich?
Wie willst Du leben? Denke frei und groß. Bring Deine Visionen auf den Weg.
Du bist.
Am Start.
Mach was draus.