Schön, dass es Dich gibt.
Du bist auf Kreta geboren. Wie ich hörte, warst Du einer dieser streunenden Straßenhunde, die vor den Türen des Tierheims rumlungerten, immer in der Hoffnung, dass die eine oder andere Mahlzeit auch für sie abfällt.
Du bist im Mai geboren und hast Deine ersten Lebensmonate auf dieser Insel verbracht. Wie die Menschen dort mit Dir umgegangen sind, weiß ich nicht und auch nicht, was Du erlebt hast, bevor Du zu uns kamst.
Vielleicht hattest Du oft Angst, bist gejagt oder geschlagen worden, hattest nicht genug zu essen oder warst auf Dich allein gestellt. Vielleicht war Dein Leben aber auch unbeschwert und Du hast Dich wohlgefühlt in Deiner Hundefamilie, ausgelassen, voller Lebensfreude mit Deinen Geschwistern rumgetobt…Diese Zeit hat Dich geprägt. Erlebnisse, die Dir bleiben…
An einem Tag im Spätsommer kamen fremde Menschen. Sie haben Dich eingefangen um Dich hierher, nach Deutschland, zu bringen. Dich und Dein ganzes Rudel. Das war ganz bestimmt ein großer Schreck.
Du wusstest ja nicht, dass diese Leute mit bester Absicht handeln, um Dir ein Leben zu ermöglichen, in dem Du weniger Gefahren ausgesetzt bist, ohne täglichen Überlebenskampf.
Freiheit und der Verlust von allem was Du kanntest, gegen ein neues Lebensglück. Eine fremde Umgebung, dafür eine eigene Familie, die Dir Liebe, Sicherheit, Geborgenheit und jeden Tag etwas zu essen gibt.
Wer kann entscheiden oder bewerten, was gut ist? Ich bin unendlich glücklich, dass Du bei mir bist. Du wurdest nicht gefragt. Du bist ein Hund. Aber was hättest Du gewollt? Damals?
Ungefähr zur selben Zeit, als Du unterwegs in Deine neue Heimat warst, hab auch ich mich auf den Weg gemacht.
Als ich Deiner Vorgängerin, meiner geliebten Jack-Russel-Hündin Jil, nach einem langen, schönen gemeinsamen Leben „au revoir“ sagen musste, war ich lange sehr traurig. Und dann, fast drei Jahre später, war mein Herz wieder bereit für eine neue Hundeliebe.
Unser Familienrat hat lange getagt, wir haben viel überlegt und große Pläne gemacht, welcher Hund, welche Art oder Rasse charakterlich und auch sonst am besten zu uns und unserem Lebensstil passt…Unsere Idee: möglichst wenig Veränderung oder gar Einschränkungen, aber dafür maximalen Spaß…ja, ja…ist schon recht…und natürlich ist es ganz anders gekommen…
Nachdem wir also alles rauf und runter besprochen und geplant hatten und uns einig waren, welche Rasse es denn nun sein sollte, hab‘ ich, in schönster Berechenbarkeit, genau das getan, was ich bei so einer Sache meistens tue…alles komplett anders…
Montagmorgen und die absolute Gewissheit in mir, dass ein Hund aus einer Züchtung gar nicht zu mir passt. Schließlich gibt es schon so viele Hunde auf dieser Welt die ein liebevolles Zuhause brauchen. Kapiert. Gehandelt. Die ortsansässige Organisation war schnell gegoogelt und ein persönlicher Termin noch für den gleichen Tag ausgemacht.
Als ich dann in meiner Mittagspause in meinem superschicken Business-Outfit in dieser Tierarztpraxis stand und gerade so mitten im schönsten Aufzählen war, welche Eigenschaften der Hund denn so haben soll oder welche eben nicht, schneidet mir die Tierärztin ungerührt das Wort ab, drückt mir ohne mit der Wimper zu zucken, ein kleines schwarzes, ziemlich verzotteltes und zudem noch leicht übelriechendes Hundebaby in den Arm:
„Wenn’s an Mädl haben möchtn, dann wär‘ diese hier vielleicht etwas für Sie. Sie is‘ a bissl kränkelnd und deshalb hier bei uns, aber sie hat noch a kloa Schwester, die seit gestern auf Nacht mitsamt ihrer fünf Brüder auf einer Pflegestelle ganz hier in der Nähe hockt. Die is‘ zwar a bissl schüchtern, aber wenn’s mögn, könnt ich Ihnen heut noch an B’suchstermin dort ausmache.“
ja…so in etwa reden die Leute hier in Deinem neuen Zuhause…gewöhn‘ Dich schon mal dran…ich kann leider nicht so sprechen. Weil ich komm ja auch nicht von hier. Der Dialekt ist aber sehr lustig, ganz warm und schön…wenn man ihn dann erst einmal versteht…aber das lernst Du alles…so ging’s dann erst einmal mit der Geschichte weiter:
Leicht benebelt vom Geruch, hab‘ ich ihr Deine kleine Schwester, die es sich mittlerweile auf meinem Arm ganz schön gemütlich gemacht und einiges an kretischer Erde auf meiner weißen Bluse hinterlassen hatte, zurück gegeben…ja, und von da an…life flow… Kismet eben…
Noch am selben Abend konnte ich Dich auf Deiner Pflegestelle, wo Du erst am Tag vorher angekommen warst, kennen lernen.
Als ich auf den Hof kam, wurde ich ganz aufgeregt begrüßt von allen Deinen Brüdern…einzig eine kleine Hündin mit riesigen Augen hat sich nicht getraut und sich lieber hinter einen Strauch versteckt…und jetzt rate mal…
Ja, genau. Das warst Du. So hab ich Dich zum ersten Mal gesehen…total zerzaust mit einer ziemlich gewagten Frisur und ganz schön ängstlich, aber trotzdem auch irgendwie neugierig…Ich hab‘ mich schockverliebt in Dich und wusste gleich, dass Du ganz etwas Besonderes bist.
…der erste Blick in Deine Augen…und das war’s dann schon…
Gleich mitnehmen konnte ich Dich natürlich nicht. Ich hatte ja noch gar keine Zeit gehabt, zuhause irgendetwas vorzubereiten, geschweige denn, die Familie in die neuesten Entwicklungen dieses Tages einzuweihen oder sie zu informieren…da stand wohl erst einmal eine Beichte an…mit der Hoffnung auf Absolution…
…vor allem eine musste unbedingt zustimmen…unsere wunderbare Emma, die coolste Katze ever, total süss und sehr gechillt…aber wenn man plötzlich das eigene, schon über drei Jahre persönlich eingedieselte, Revier mit einem Hund teilen soll, will man ja zumindest gefragt werden…
Hier ein Bild von Emmchen, aufgenommen, ganz kurz bevor Du zu uns gekommen bist. Da ahnte sie noch nicht, was am nächsten Tag passieren sollte…ich hatte es ihr gerade zwar erzählt…aber so richtig gecheckt hat sie es da wohl noch nicht…dafür war die Freude später umso größer, denn…
…natürlich hast Du diese Hürde auch mit Leichtigkeit genommen. Ein kurzer Moment und sofort war es auch um den Rest der ganzen familiy geschehen…
Du hast unser aller Leben, aber vor allem meins, ganz schön auf den Kopf gestellt.
Von Anfang an warst Du anders als alle Hunde, die ich vor Dir hatte. Bis dahin dachte ich sogar, dass es keine große Sache ist, einen Hund zu erziehen. Total easy… tja, jedenfalls musste ich mich ziemlich schnell eines Besseren belehren lassen.
Da stand nämlich plötzlich eine riesige Aufgabe vor mir und ich hatte irgendwie nicht das richtige Werkzeug im Gepäck.
Du hast am Anfang so gar nicht in meine Vorstellungen von dem Leben mit Hund gepasst…weißt Du noch? Ich verrate keine family-Interna…nur so viel; Du hattest Deinen eigenen Lebensplan und der wollte sich meinem partout so gar nicht anpassen…
…einen Hundetrainer nach dem nächsten haben wir in die Flucht geschlagen…und ich wurde immer unentspannter, ängstlicher, planloser und bin ich zu einem Helikopter-Kontrollfreak mutiert, der auch Dir kaum noch Freiraum geben konnte…dieser Version von mir selbst musste ich ganz ungeschminkt ins Gesicht sehen…das war hart.
Überhaupt war es eine harte Schule. Aber unfassbar lehrreich.
Du hast Deinen eigenen Kopf. Mein Angebot steht. Ich werde Dich nicht verbiegen. Je mehr ich von meinen eigenen Vorstellungen loslasse, desto besser lernte und lerne ich Dich zu verstehen und desto mehr erfahre ich dabei auch über mich selbst.
Je mehr Freiheit ich Dir geben kann, desto vertrauensvoller und be-freiter bindest Du Dich heute an mich…
Aber bis dahin war es echt ein langer Weg…musst Du zugeben…
Erst einmal war das einfach nur anstrengend. Deine so harmlos umschriebene „Schüchternheit“ entpuppte sich nämlich als krasse Angst vor so ziemlich allem und jedem. Fremde Menschen, vor allem Männer, Kinder, Drachen (also die, die man steigen lassen kann), Fahrräder, Mülltonnen, Brücken, Straßen, Städte…alles, wirklich alles war zu viel für Dich. Du konntest das nicht verarbeiten und bist immer weiter in Deine Angstspirale gefallen aus der ich Dich immer weniger herausholen konnte. Wir haben beide so oft geheult. Jede so auf ihre Art.
Meine Welt, zumindest das, was ich bislang dafür gehalten hatte, wurde immer kleiner. Ich musste erleben, wie sich mein Radius mehr und mehr beschränkte und spürte immer weniger Freiheit…das hat mich total an meine eigenen Grenzen gebracht.
Trotzdem ich Dich vom ersten Moment an geliebt habe und Du Dich täglich immer tiefer in mein Herz gebohrt hast, hat es hat einige Zeit gedauert, bis ich Dich so annehmen konnte, wie Du eben bist…Dein ganzes wunderschönes Wesen…bis ich erkennen konnte, welche unglaubliche und ganz neue Freiheit darin liegt…auch für mich…
…und dann, ganz plötzlich und unerwartet, stand ich mir selbst gegenüber…
…ein Schleier, der sich plötzlich einfach so lüftet…und hinter dem sich etwas zusammen setzt…Puzzleteile, die ein Bild ergeben…ein Ganzes…das war unbeschreiblich und sehr aufregend.
Du hast mich zu mir selbst gebracht, Zoé. Dafür bin ich Dir unendlich dankbar.
Dieses lebendige Gefühl begleitet mich mittlerweile fast täglich. Auch, und vielleicht sogar ganz besonders, an schlechten Tagen. Und es vertieft sich immer weiter.
Fünf Jahre bist Du jetzt ein Teil unserer Familie. Ganz viel Schönes ist seitdem passiert. Auch Zoés Kosmos ist in dieser Zeit entstanden und es fühlt sich alles richtig an…
Zoé, Du tust so Vieles mir zuliebe. Obwohl Du es manchmal gar nicht magst. Zum Beispiel durch eine Stadt mit mir zu laufen…die vielen Menschen, die von allen Seiten kommen, wo es laut ist und Du die ganze Zeit Anspannung fühlst…für Dich ist das anstrengend. Das weiß ich. Aber Du bist so mutig, meine Süße. Weil Du es trotzdem einfach machst. Ich bin sehr stolz auf Dich.
Danke, dass Du bei mir bist.